Die UWG Papenburg hat mit großer Bestürzung und ebenso großem Unverständnis von der geplanten Änderung im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) erfahren. Konkret geht es um die vorgesehene Änderung des § 71, in dem geregelt wird, nach welchem Verfahren die zur Verfügung stehenden Sitze in den kommunalen Ausschüssen verteilt werden.

Bisher wurden diese nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren aufgeteilt, dass auch kleinere Fraktionen entsprechend berücksichtigt: (2) 1Die Vertretung legt die Zahl der Sitze in den Ausschüssen fest. 2Die Sitze eines jeden Ausschusses werden entsprechend dem Verhältnis der Mitgliederzahl der einzelnen Fraktionen oder Gruppen zur Mitgliederzahl aller Fraktionen und Gruppen verteilt. 3Dabei erhält jede Fraktion oder Gruppe zunächst so viele Sitze, wie sich für sie ganze Zahlen ergeben. 4Sind danach noch Sitze zu vergeben, so sind sie in der Reihenfolge der höchsten Zahlenbruchteile, die sich bei der Berechnung nach Satz 2 ergeben, auf die Fraktionen und Gruppen zu verteilen. 5Bei gleichen Zahlenbruchteilen entscheidet das Los. 6Das Los zieht die oder der Vorsitzende der Vertretung. 7Die Fraktionen und Gruppen benennen die Mitglieder der Ausschüsse.“ (Quelle: www.nds-voris.de). Zukünftig soll aber das d’Hondtsche Verfahren zur Anwendung kommen, das kleinere Fraktionen benachteiligt und größere Fraktionen begünstigt: „Die Sitzverteilung nach d’Hondt kann bei starken Größenunterschieden der Anteile der Parteien zu größeren Abweichungen von der Verhältnismäßigkeit führen, wobei kleinere Parteien benachteiligt werden (vgl. u. a. die Ergebnisse der Sitzverteilung nach Hare/Niemeyer bzw. Sainte-Laguë/Schepers). Vor allem aus diesem Grund wurde das Verfahren nach d’Hondt bei den Wahlen zum 11. Deutschen Bundestag 1987 durch das Verfahren nach Hare/Niemeyer abgelöst. Seit 2009 wird bei Bundestagswahlen und Europawahlen das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers verwendet.“ (Quelle: www.bundeswahlleiter.de). In unserem konkreten Fall würde die Anwendung des d’Hondtschen Verfahrens statt des Hare-Niemeyer-Verfahrens dazu führen, dass wir – obwohl wir Fraktionsstärke haben – in allen Fachausschüssen unser Stimmrecht verlieren würden und nur noch im Rat stimmberechtigt wären.

Das widerspricht unserer Auffassung nach dem Grundsatz, dass laut NKomVG bei der Sitzverteilung die Mehrheitsverhältnisse widergespiegelt werden sollen, die auch im Rat gegeben sind. Die Anwendung des d’Hondtschen Verfahrens würde stattdessen aber, wie oben ausgeführt, zur Benachteiligung kleinerer Fraktionen führen.

Was wir außerdem kritisieren ist die Tatsache, dass wir Ratsmitglieder erst vor wenigen Tagen über die geplante Änderung informiert wurden, obwohl wir inzwischen erfahren haben, dass der Gesetzentwurf bereits am 20.04.2021 in den Niedersächsischen Landtag eingebracht und inzwischen in mehreren Ausschüssen des Landtages beraten wurde. Laut eines uns am 01.10.2021 von der Verwaltung per Mail zugesandten Schreibens des Niedersächsischen Städtetags vom 10.09.2021 wird der Niedersächsische Landtag die NKomVG-Novelle, in der u.a. auch die hier genannte Änderung des § 71 enthalten ist, „voraussichtlich im ‚Oktober-Plenum‘ vom 13. Bis 15. Oktober 2021 abschließend beraten und beschließen. Die Verkündung erfolgt dann wohl in der 42. KW.“ (Quelle: NST-Info-Beitrag Nr. 1.178 / 2021)

Wir fragen uns schon, ob es demokratisch ist, in einer laufenden Legislaturperiode und der dazugehörigen Kommunalwahl eine so entscheidende Gesetzesänderung vorzunehmen. Erschreckend ist in unseren Augen die Begründung für die geplante Änderung: „Die Änderungen des § 71 bedeuten die Umstellung des Sitzverteilungsverfahrens für die Ausschüsse auf das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren. Dieses Verfahren ist eher geeignet, stabile Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen zu gewährleisten als das bisherige Verfahren Hare-Niemeyer. Die Entwicklung hin zu einer verstärkten Fragmentierung der kommunalen Vertretungen durch eine Zunahme der jeweils vertretenen Gruppierungen ist unbestritten. Die Mitwirkung eines größeren Kreises von Fraktionen, Gruppen oder Einzelabgeordneten in der Vertretung führt in aller Regel zu einer schwerfälligeren Meinungsbildung. Das gilt ebenso für die Tatsache, dass der organisatorische und finanzielle Aufwand für die Vorbereitungen und Durchführung der Sitzungen dadurch steigt. Vor diesem Hintergrund ist die Sitzverteilung nach dem d’Hondtschen Verfahren eine Maßnahme, um entsprechende Erschwernisse zu reduzieren. Fraktionen und Gruppen, die bei der Sitzverteilung leer ausgehen, haben wie bisher Anspruch auf ein sogenanntes Grundmandat.“ (Quelle: Niedersächsischer Landtag, Drucksache 18/9075, Seite 27, Hervorhebungen durch mich)

Der Wählerwille, weniger große Parteien / Fraktionen und stattdessen mehr kleine Parteien / Fraktionen in die kommunalen Parlamente zu wählen (wie gerade aktuell bei der Niedersächsischen Kommunalwahl im September 2021 wieder geschehen), wird hier zu einer „schwerfälligeren Meinungsbildung“ und die geplante Verfahrensänderung soll dann wieder für „stabile Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen“ sorgen! Das ist zutiefst undemokratisch und entmündigt die Kommunalparlamente! Auch das Argument des größeren organisatorischen und finanziellen Aufwandes für die Vorbereitungen und Durchführung der Sitzungen bei Anwendung des Hare-Niemeyer-Verfahrens halten wir für vorgeschoben, denn die Fraktionen, die durch die Gesetzesänderung ihr Stimmrecht verlieren würden, hätten trotzdem Anspruch auf Teilnahme an den Sitzungen (Grundmandat) und auf die entsprechenden Sitzungsgelder. Es würde sich also unserer Meinung nach in diesen Punkten nichts ändern.

Wir protestieren deshalb auf das Schärfste gegen die geplante Gesetzesänderung und fordern die Fraktionen im Niedersächsischen Landtag auf, die Änderung des § 71 NKomVG unverzüglich zurück zu nehmen und bei dem alten Sitzverteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer zu bleiben!

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Uchtmann

Fraktionsvorsitzender